„Christi Auferstehung haben wir gesehen, lasst uns anbeten den Heiligen Herrn, Jesus, den allein Sündlosen: vor Deinem Kreuz fallen wir nieder, Christus, und rühmen und preisen Deine Heilige Auferstehung; denn Du bist unser Gott, außer Dir kennen wir keinen andern, Deinen Namen rufen wir an. Kommt, all ihr Gläubigen: lasst uns anbeten die Heilige Auferstehung Christi: denn siehe, durch das Kreuz kam Freude in die ganze Welt“
(Osternacht, 5. Ode, Auferstehungshymnus)
Ehrwürdige Väter und geliebte Gläubige,
Christus ist auferstanden!
Diesen Hymnus haben wir im Gottesdienst der Osternacht zur Auferstehung gehört und wir hören ihn an jedem Sonntagmorgen bei der Matutin (Utrenie). Das Ereignis der Auferstehung des Herrn, das sich am ersten Tag der Woche, am Sonntag, am frühen Morgen ereignet hat, strahlt aus auf alle Sonntage und alle Tage, denn der vom Tode auferstandene Erlöser Jesus Christus stirbt nicht mehr, der Tod herrscht nicht mehr über Ihn (vgl. Röm. 6,9). Er bleibt auf ewig im stand der Auferstehung. Nach der Auferstehung hat der Erlöser noch 40 Tage auf Erden verbracht, in dieser Zeit hat Er Sich immer wieder Seinen Jüngern und anderen Gläubigen gezeigt, danach ist Er zum Himmel aufgefahren und hat Seinen Platz zur Rechten Gottes eingenommen, wie wir es im Glaubensbekenntnis bekennen. Beim Abschied von Seinen Jüngern hat der Herr diesen geboten: „Gehet hin und macht zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matthäus 28, 19-20) Der heilige Evangelist Markus sagt, dass nach der Himmelfahrt des Herrn die heiligen Apostel mit der Verkündigung des Evangeliums begonnen haben und dass „der Herr mit ihnen wirkte und das Wort durch die mitfolgenden Zeichen bekräftigte“(Markus 16, 20). Das Leben der Apostel war überhaupt nicht leicht. Sie zogen in alle Welt und haben den Auferstandenen Herrn verkündigt gegen viele Widerstände und um den Preis von Verfolgungen. Fast alle starben den Märtyrertod.
Im engeren Wortsinne waren die Jünger des Herrn die zwölf Apostel, doch im weiteren Sinne sind alle in Seinem Namen Getauften Jünger des Herrn. Das Wort „Christ“ kommt von Christus und bedeutet zu Christus gehören, an Christus zu glauben und Christus nachzufolgen und dafür jedes Leid und jeden Widerstand auf sich zu nehmen. Aber auch wenn viele an Christus glauben, so folgen Ihm doch nicht viele nach, weil sie nicht nach Seinen Geboten leben. Deshalb verwirklicht sich auch die Verheißung des Herrn: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ (Matthäus 28, 20) nur bei denen, die nach Seinem Willen leben. Unsere Pflicht als Jünger Christi besteht darin, uns zu bemühen, Christus an jedem Tag und zu jeder Stunde in unserem Herzen zu haben durch unser Gebet und das Tun des Guten. Denn „der Glaube ist tot in sich selber, wenn er nicht Werke hat“ (Jakobus 2,17). Nur wenn wir uns darum bemühen, immer bessere Menschen zu werden und immer mehr für unsere Nächsten zu tun, ist Christus mit uns, wirkt er mit uns und zeigte Seine Macht durch Zeichen und Wunder (vgl. Markus 16, 20) vor allem beim Beten spüren wir Christus in unserem Herzen, das allmählich zu einem immer besseren Herzen wird, voller Mitgefühl und Mitleid für das Leiden unserer Nächsten. Daher blieben die ersten Christen „beständig in der Lehre der Apostel, im Brotbrechen (durch die Teilnahme an der Göttlichen Liturgie) und im Gebet…, und die Gläubigen waren ein Herz und eine Seele“. Niemand unter ihnen hatte Mangel, denn sie unterstützten sich gegenseitig (Apostelgeschichte 2, 42; 4, 32 u. 34). Die Form des Zusammenlebens der ersten Christen, wie sie die Apostelgeschichte beschreibt, bleibt ein nachahmenswertes Modell für alle Christen bis ans Ende der Zeiten!
Über das Leben der ersten Christen spricht auch der Diognetbrief, eine alte Epistel aus dem 2. Jahrhundert, wo es über die Christen heißt: „Sie wohnen alle in ihrem Vaterland, aber wie Fremde; sie haben an allem Anteil wie Bürger, und sie erdulden alles wie Fremde. Jede Fremde ist für sie Vaterland und jedes Vaterland Fremde. Sie heiraten wie alle und bekommen Kinder, aber sie setzen die Neugeborenen nicht aus. Sie teilen den Tisch, aber nicht das Bett. Sie leben «im Fleisch», aber nicht «nach dem Fleisch». Sie leben auf Erden, sind aber Bürger des Himmelreichs. Sie fügen sich den Gesetzen des Staates, überwinden aber durch ihre Lebensweise die Gesetze.“ (Diognetbrief 5, 5-10)
Später im 14. Jahrhundert wird ein Laienchrist, der heilige Nikolaos Kabasilas, sagen, dass das Wesentliche im Leben der Christen das „Gesetz der Liebe“ ist, das uns kein Hindernis bei der Erfüllung unserer beruflichen Pflichten und Aufgaben in den Weg legt und das von uns nicht verlangt, „allein am Rand der Welt zu leben, uns von ungewöhnlichen Speisen zu ernähren, unsere Kleidung zu ändern oder unsere Gesundheit zu gefährden“. Wichtig ist, dass wir „alle unsere Handlungen heiligen“ durch das Leben in Christus, durch die Teilnahme an der Göttlichen Liturgie und die Kommunion an Leib und Blut Christi, indem wir zu Hause, bei der Arbeit, unterwegs und überall beten und „mit Ernst und Wachsamkeit böse Gedanken von unserem Geist fernhalten“ und „die Größe der Liebe Gottes zu uns meditieren“. Er kommt zu dem Schluss: „So sollen wir immerzu unsere Gedanken auf Ihn (Christus) lenken, damit unser Geist nur von Seinen Ratschlüssen erfüllt sei und wir all unsere Sorge jederzeit auf ihn werfen“. (Nikolaos Kabasilas, Vom Leben in Christus)
Geliebte Gläubige,
der Hymnus „Christi Auferstehung haben wir gesehen“, mit dem wir diese Pastorale begonnen haben, ruft uns dazu auf, „die Heilige Auferstehung Christi anzubeten: denn siehe, durch das Kreuz kam Freude in die ganze Welt“. In unserem Leben als Christen sind das Kreuz und die Auferstehung wie schon im irdischen Leben des Erlösers Christus zwei grundlegende und untrennbare Wirklichkeiten. Wir können nur durch das Kreuz zur Auferstehung gelangen, wobei das Kreuz schon die Auferstehung beinhaltet und von der Auferstehung geprägt ist. Der Erlöser ruft uns auf, das Kreuz auf uns zu nehmen: „Wer Mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir nach.“ (Markus 8, 34) Das bedeutet, dass wir ohne jede Auflehnung alle Prüfungen des Lebens und alles Leid, das über uns kommt, annehmen und unsere Hoffnung nur auf Gott setzen. Denn Gott ist in der Kraft Seiner Auferstehung in all unserem Leid und Unglück gegenwärtig. Und Er nimmt alles auf Sich, wenn wir Ihn um Hilfe anrufen und unsere Hoffnung und unseren Lebensmut nicht verlieren.
Auch unser Leben fern der Heimat und dem Vaterland, in dem wir geboren wurden und als Kinder in rumänischen Schulen großgezogen und erzogen wurden, fern der Kirchen, in denen wir getauft wurden, und der Friedhöfe, wo unsere Eltern und Vorfahren im Acker der Ahnen ruhen, die uns gelehrt haben, gläubige und gute Menschen zu werden, ist auch keineswegs leicht. Die Arbeit ist für viele oft erniedrigend und wird nicht immer angemessen bezahlt. Einige werden regelrecht ausgebeutet! Fremdheit und Einsamkeit quälen viele in der Seele. Die Kirche ist unsere einzige Zuflucht, unsere einzige Hoffnung. Christus, der auferstandene Herr, der Sieger über den Tod und Lebensspender identifiziert sich mit der Kirche, die Er gerade dafür gegründet hat, um für uns alle zum Rettungsboot in den Wellen und Wogen der Welt zu lernen, die uns immerzu mit Hoffnungslosigkeit, Verlust des Lebenssinnes und sogar dem Untergang bedrohen. Wer sich im Schiff der Kirche befindet, der ist gerettet! Christus der Herr erwartet von uns, dass wir Sonntag für Sonntag und Feiertag um Feiertag die Schwelle der Kirche überschreiten, um Anteil zu gewinnen an den Gaben der Auferstehung: der Freude, die die balsamtragenden Frauen empfunden haben, als sie den auferstandenen Herrn gesehen haben, und an der „Macht zu treten auf Schlangen und Skorpione über alle Gewalt des Feindes“, ohne dabei Schaden zu erleiden (Lukas 10, 19). Groß ist die Kraft des Glaubens! Wir sollen diese Macht nie missen, sondern stets mit dem Psalmisten David rufen: „Eile, Gott, mich zu erretten, Herr, mir zu helfen!“
Geliebte Gläubige,
in unserem Land wurden nach der Revolution vom Dezember 1989 hunderte von Kirchen neu erbaut. Es gab einen großen Bedarf, so dass nach 45 Jahren Kommunismus, in denen Kirchen nicht erbaut, sondern zerstört wurden, dort neue Gotteshäuser errichtet wurden, wo es keine gab oder wo es zu wenige Kirchen im Blick auf die Zahl der Gläubigen waren. Die Rumänen haben ihren Glauben auch darin erwiesen, dass sie wesentlich zum Bau neuer Kirchen mit beigetragen haben.
Auch in Deutschland wurden nach dem Zweiten Weltkrieg tausende neuer Kirchen erbaut, katholische wie auch evangelische. Auch die Orthodoxen unterschiedlicher Völker wie Griechen, Russen, Serben, Araber und andere, die hier in Deutschland wohnen, haben eigene Kirchen gebaut und bauen weiter welche. Kirchen sind bekanntlich nicht nur Orte des Gebets, sondern auch Stätten der Gemeinschaft zwischen den Gläubigen gleicher Volkszugehörigkeit, Sprache und Kultur. Die Identität jedes Menschen bildet das Fundament seiner Persönlichkeit. Und diese bereichert sich durch das, was andere an Spezifischem haben.
Die rumänische Diaspora ist in den zu unserer Metropolie gehörenden Ländern in den letzten Jahren beachtlich angewachsen. Daher konnten wir bisher nur einige eigene Kirchen bauen. Jetzt sind wir dabei, Kirchen zu erwerben oder zu bauen, die so nötig sind, um unseren Glauben zu leben und unsere Identität zu bewahren. Jede Pfarrgemeinde bemüht sich nach Kräften darum, ihre eigene Kirche zu haben, um den provisorischen Zustand zu überwinden, in dem sie sich befinden.
Ein gemeinsames Ziel, das uns alle als Priester und Gläubige gleichermaßen bewegt und betrifft, ist der Bau unseres Kirchenzentrums in München, das ein Kloster wie auch ein Kultur- und Sozialzentrum umfassen wird. Nach Ostern beginnen die Arbeiten an der Kirche dieses Zentrums, dessen Grundstein 2011 von Patriarch Daniel, dem Patriarchen der Rumänischen Orthodoxen Kirche, gelegt wurde.
Mein herzlicher Appell an Euch geht dahin, dass wir alle zusammenstehen und jeder nach seinen Kräften zum Bau dieses Klosters beiträgt, das ein Symbol unseres rumänischen orthodoxen Glaubens und unserer Identität sein wird, ein Ort des Gebets und eine Stätte der Begegnung sowie der Erneuerung an Leib und Seele.
Wie es üblich ist, werden alle Gläubigen, die diesen Bau substanziell unterstützen, in die Liste der Stifter aufgenommen und eine Stifterurkunde erhalten. Und deren Namen werden auf einer Erinnerungstafel in der Kirche verewigt. Auch ist es Brauch, dass die Namen der Stifter, die auf besondere Weise helfen, zur Fürbitte (Pomelnice) in den Sockel des Heiligen Altars eingemauert werden, auf dem das Opfer der Göttlichen Liturgie dargebracht wird, wo sie bleiben werden, solange die Kirche steht.
In der Hoffnung, dass Ihr Euch diese meine väterlichen Ratschläge zu Herzen nehmen werdet und jeder sich engagiert, um die geistliche Wirken und die Initiativen der Euch von Gott zugewiesenen Priester wie auch den Bau der Klosterkirche in München zu unterstützen, umarme ich Euch alle in Christus, dem auferstandenen Herrn, und erbitte Seinen Segen für Euch alle: Eltern und Kinder, Junge und Alte. Gott der Grundgütige möge Euch in allem unterstützen, Euch vor allem Übel bewahren und Euch Gesundheit an Leib und Seele schenken!
Christus ist auferstanden!
Euer allezeit Euch Gutes wünschender und zum Herrn betender
† Serafim
Erzbischof und Metropolit
(Übersetzung: Pfarrer Dr. Jürgen Henkel, Selb-Erkersreuth)
Quelle: http://www.mitropolia-ro.de/index.php/nachrichten-2016/1062-pastorale-des-metropoliten-serafim-zum-heiligen-osterfest-2017